In meinen letzten Workshops mit Ausbilderinnen und Ausbildern habe ich eine kleine ad-hoc Umfrage zum Thema "Pubertät" gestartet. Meine Frage lautete, welche Schlagwörter Ausbilderinnen und Ausbilder im Sinn haben, wenn ich über Pubertät spreche. Von Rebellion, Unsicherheit, Findungsphase, richtungsweisend, über die Stränge schlagen, Grenzen ausloten ... war alles dabei. Sehr inspirierend fand ich persönlich folgende Aussagen: (neue) Chancen, neue Erfahrungen machen (müssen), Weggabelung, Suche nach dem Ich und der Frage "wer bin ich eigentlich?".
Ich beschäftige mich schon sehr lange mit dem Thema Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und mit den Facetten der Pubertät. Diese Wandlung zum Erwachsenen finde ich äußerst spannend und zugegeben auch ab und an nervenaufreibend. Ich vergleiche die Pubertät immer sehr gerne mit der Entwicklung einer Raupe zum Schmetterling.
Jugendliche möchten in dieser Zeit vor allem herausfinden, wer sie eigentlich sind. Dabei stehen sie häufig vor der Weggabelung, wohin sie sich orientieren und vor allem an wen sie sich orientieren sollen. Dieser Aspekt ist für alle Eltern unter uns sehr wesentlich, denn wir wissen genau, dass unser Einfluss als Elternteil zunehmend schwindet. Dabei beschäftigen Jugendliche Fragen wie, welche Aspekte der eigenen Eltern abgelehnt werden, welche Aspekte sie weiter mittragen, wo sie eine neue Orientierung suchen, wo sie eigene Erfahrungen sammeln möchten und auf diesem Weg immer mehr zu einem unabhängigen Erwachsenen reifen. Dieser Prozess findet natürlich nicht bewusst statt, sondern unbewusst und das macht es auch ab und an schwierig, die Jugendlichen gut begleiten zu können.
Jugendliche in der Pubertät treten teilweise sehr stark auf, sind aber im Innersten sehr verletzlich. Dadurch wird ihr unsichtbarer Schutzmantel noch dicker und manche von ihnen verstecken sich in sich selbst und ziehen sich komplett von der Außenwelt zurück. Andere sind weniger verletzlich und wieder Andere sind einfach nur sehr unsicher und suchen Orientierung, Sinn und Perspektive.
Bei nach außen wirkenden starken Jugendlichen, entsteht von manchen Erwachsenen leider oftmals der Impuls, dass sie die Jugendlichen - bevor sie wirklich "stark" werden - nieder drücken "müssen", damit sie sozusagen eine Chance gegen sie haben. Ein Machtkampf beginnt ... und vor allem beginnt der Kreislauf aus der eigenen pubertären Phase von vorne. Wir werden unbewusst daran erinnert, wie wir in unserer Sturm-und-Drang-Zeit behandelt wurden. Darum sind auch für Ausbilderinnen und Ausbilder die Fragen: "Wie hast du die Pubertät erlebt? Was hat dich im Umgang mit Erwachsenen gestört? Was hättest du dir anders gewünscht?", für den jetzigen Umgang mit Lehrlingen sehr hilfreich. Dadurch wird das eigene Verhalten reflektiert und angepasst.
Was bedeutet Pubertät für die Lehrzeit?
In der Lehrzeit ist es das Um und Auf, den Lehrlingen Sicherheit und Orientierung zu geben. Dazu gehört, dass man die jungen Erwachsenen ernst nimmt und als Persönlichkeiten anerkennt. Sie wollen sich aufgehoben fühlen, möchten Neues ausprobieren und vor allem möchten sie ihre Stärken heraus finden und erleben, welche Perspektiven sich damit für sie ergeben.
In der Praxis können diese Punkte erfüllt werden, in dem sie zum Beispiel ...
genau wissen, wo sie in welchem Bereich arbeiten,
dass sie planbare Arbeitszeiten haben, das bedeutet, dass sie wissen, wann der Tag beginnt und wann er endet,
regelmäßige Feedbackgespräche über das was sie noch entwickeln können führen und wie ihr derzeitiger "Leistungs-Stand" ist,
einen netten Umgangston mit der Ausbilderin, dem Ausbilder haben,
Hilfestellung geben,
usw.
Zerrissen zwischen Berufsbildung und "Leben"
Oftmals gilt es auch zu akzeptieren, dass für Lehrlinge nicht nur das Erlernen des Berufs im Vordergrund steht, sondern, dass Jugendliche in dieser Zeit manchmal zum ersten Mal mit den echten Problemen des Lebens (Beziehung, erste Wohnung, Finanzen, ...) konfrontiert sind.
Abseits von diesen Problemen ergeben sich aber wiederum tolle Chancen, wenn es die Betriebe schaffen, die Fähigkeiten der jungen Menschen in den Unternehmen zu nützen. Die Chance besteht vor allem in dem Erfinder- und Entdecker-Geist von Lehrlingen. Wenn man diesen anspricht, können tolle neue Ideen entstehen. Auch den versierten Umgang mit YouTube, Instagram, TikTok, Snapchat & Co. könnte man sich zu nutze machen und wäre somit eine Möglichkeit wo Lehrlinge sich einbringen können und das Unternehmen Vorteile daraus ziehen kann. Mehr dazu folgt in meinem nächsten Blog ...
Bianca Lettenbichler beratet und begleitet Ausbildungsbetriebe, AusbilderInnen und Lehrlinge. Erhöhung der Ausbildungsqualität und Wertschätzung auf beiden Seiten sind ihr besonders wichtig.
Reinhören...
In ihren Podcasts gibt sie Praxistipps für Ausbilder und Ausbilderinnen von Lehrlingen und Azubis.
Comments